Vergebung

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Wer vergibt, lässt in Frieden gehen, was nicht zu ändern ist.

Das Thema Vergebung ist besetzt mit vielen sehr unterschiedlichen Überzeugungen.

Dazu kommt, dass heute leichtfertig die Begriffe Entschuldigung, Verzeihen und Vergebung synonym verwendet werden, obwohl es in der Wirkung große Unterschiede gibt.

In diesem Artikel erfährst du, was Vergebung bedeutet, wie es sich von Entschuldigung und Verzeihen abgrenzt, welche Folgen das Festhalten von Schuld haben kann und welche andere Möglichkeiten es im Umgang mit Schuld gibt.

Was ist Vergebung?

Vergebung ist ein starker, vor allem innerlicher Akt, der im Zusammenhang mit einem gravierenden Vorfall, einem unveränderbaren Einschnitt ins Weiterleben, steht. Meist geschieht Vergebung im Nachhinein, ohne dass der Schuldige anwesend ist oder sein kann, zum Beispiel nach einem Tod. Das Band von Täterschaft mit Opfertum wird durch Vergeben endgültig durch schnitten. Vergebung ist daher eine Selbstheilung, die sich vom Übeltäter abgrenzt und die gleiche Endgültigkeit beinhaltet wie der schuldhafte Akt.

Für Vergebung muss nicht immer eine Schuld vorliegen: Zum Beispiel können die Bremsen versagt und so einen schwerwiegenden Unfall ausgelöst haben oder der Fahrer ist reflexartig ausgewichen. Dadurch ist der Schuldige gerechtfertigt, man kann es verstehen.

Sofern eine persönliche Schuld besteht, wird sie anerkannt, der Vorwurf aufgehoben und die Konsequenzen in Frieden toleriert oder - noch umfassender - akzeptiert.

Info
Toleranz wäre nur ein passives Dulden der Handlung mit seinen Folgen, während Akzeptanz ein aktives Einverständnis und Verstehen des Unannehmbaren bedeutet und somit Teil der Vergebung ist. Daraus entspringt Weisheit, die menschliche Fähigkeit eine nicht eindeutig lösbare Situation zu bewältigen. Bei größeren Fällen wie Sippenkriegen oder Völkermord, einem reaktiven gegenseitigen Umbringen, wo keiner mehr den Anfang weiß, kann man eine Vergebungs-Kommission einsetzen. Diese Kommission hört alles an und fragt nach der Bereitschaft, einen Strich zu ziehen für einen Neuanfang.

"Beschuldigte" können neben Personen auch Gott oder von ihm geschaffene Umstände sein, die zu Groll führen. Der Akt der Vergebung braucht auch kein Gegenüber, keine Person. Es ist eine eigene Entscheidung, die nicht auf eine Reaktion des Täters angewiesen ist oder darauf, dass er sich die verdient hat.

Was unterscheidet Vergebung von Entschuldigung und Verzeihen?

Wie bereits angesprochen, unterscheiden sich die oft synonym verwendeten Wörter Vergebung, Entschuldigung und Verzeihen in ihrer Wirkung. Entschuldigung und Verzeihen können Teile des Prozesses der Vergebung sein. Vergebung kann aber auch ohne sie stattfinden.

Entschuldigung

Während Vergebung ein innerlicher Prozess ist, bei dem eigene oder fremde Schuld akzeptiert wird oder auch nur das gravierende Geschehnis angenommen wird, oftmals auch ohne es wirklich begreifen zu können, bittet man bei Entschuldigung ein Gegenüber - den Geschädigten - darum, die Schuld weg zu nehmen. Das gelingt nur, wenn es einem auch wirklich und spürbar leid tut.

Die Entschuldigung gilt als Anerkenntnis:
Ich habe durch mein Tun oder Nichttun Schuld auf mich geladen. Nun bitte ich die Person um Ent-SCHULD-igung. Ich bitte also meinen Gegenüber, diese Schuld von mir zu nehmen.

Viele Menschen vergessen dabei, dass dies eine Bitte ist, der nicht automatisch entsprochen werden muss. Gleichzeitig fühlen sich die meisten aus Eigenwille dennoch entschuldigt, als ob es das Problem des anderen sein, wenn er die Schuld nicht erlassen will. Fairer wäre es in solchem Fall, die Schuld zu tragen und das Beste daraus zu machen - vielleicht auch zum Ausgleich einem Anderen Gutes zu tun: im Geistigen zählt mehr die Tat selbst als der Adressat.

Hinter einem einfachen "Tschuldigung" steckt oft nicht das entsprechende Gefühl, das Erspüren der eigenen Schuld und die Bitte, sondern es ist einfach nur ein Rückzug aus der Konsequenz des eigenen Vordringen. Man ent-schuldigt sich sozusagen selber, egal wie das Gegenüber entscheidet. Die Milde, die mit Verzeihen oder Vergeben verbunden ist, muss nicht unbedingt dazugehören.

Verzeihung

Vergebung
Die Bronzetafel erinnert an Brandts Kniefall, der Bitte um Vergebung der Kriegsverbrechen.

Verzeihen hat ebenso wie die Entschuldigung ein Gegenüber, dem es mitgeteilt wird. Die Bitte um Verzeihung ist umfassender als die Bitte um Entschuldigung, bei der es nur um die Last der Schuld geht. Die Bitte um Verzeihung ist auch immer eine Bitte um Versöhnung, dass man wieder miteinander vertrauen kann ohne Groll.

Während die Vergebung als innerlicher Akt für sich selbst und still vollzogen werden kann, teilt man beim Verzeihen dem Gegenüber beziehungsweise dem Schuldigen mit, dass man ihm die Schuld erlassen hat. Das bringt den Akt auf eine andere, zwischenmenschliche Ebene.

Bei der Bitte um Verzeihung begibt sich der Schuldige in eine Haltung der Demut, die er durch Verneigen auch im Außen sichtbar machen kann. Früher war es der Kniefall. Das berühmteste Beispiel in der deutschen Geschichte ist der Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt 1970 im Warschauer Ghetto, eine Geste, die als Bitte um Vergebung für die Nazi-Verbrechen des deutschen Volks interpretiert wurde und in ihrer Wortlosigkeit tiefe Spuren hinterließ.

Durch den Kniefall räumt der Schuldige der betroffenen Person Macht über sich ein, denn kniend ist er fast wehrlos. Und wenn die Person es will, gewährt sie die Gnade, die Beschuldigung von ihm zu nehmen. Der Umgang mit der Schuld verbleibt dann beim Täter - oftmals trägt er sie dennoch büßend ein Leben lang mit sich herum (so wie den Deutschen oftmals vorgeworfen wird, viele Jahrzehnte und Generationen nach dem Krieg immer noch aus Schuldgefühlen heraus zu handeln und entscheiden).

In den meisten Fällen sind auch erst Fragen der materiellen Wiedergutmachung, der inneren Reue zu klären, bevor der Angesprochene Milde walten lässt und die Schuld vom Bittenden nimmt. Dies kann ein Prozess sein, der vieler Absprachen und Klärungen bedarf.

Nur die Betroffenen selbst können festlegen, wann dieser Prozess erst zur Bitte, dann zum Stattgeben reif ist. Wird dies gründlich vollzogen, dann ist die Rückfallquote um ein Vielfaches geringer. Am Ende können sich beide - Schuldiger und Betroffener - auf Augenhöhe gegenüberstehen und beide sind ein großes Stück gewachsen.

Die Dynamik im Familienstellen

Die Dynamik, die sich durch einen unbewußten Umgang mit Schuld innerhalb von Beziehungssystemen wie Familie entwickelt, hat Bert Hellinger sichtbar gemacht. In seinen vielen Arbeiten beim Familienstellen zeigte er Phänomene auf, dass solche Beziehungstaten im morphogenetischen Feld gespeichert sind und sogar auf die nächste Generation einwirken, die dann unbewußt entsprechende Verhaltensmuster ausleben, die zu verborgenen Taten anderer gehören.

Das Thema Schuld und Vergebung hat er in seinen Arbeiten ausführlich behandelt - siehe auch im Artikel Familienstellen - Bedürfnis nach Ausgleich. Auf Hellinger's Website sind einige Themen beschrieben.

Die Kehrseite von Vergebung: Verbitterung

Verbitterung beruht auf der Unfähigkeit zu vergeben. Es gibt Fälle, die sich so stark entwickeln, dass man von einer "posttraumatischen Verbitterungs-Störung" sprechen kann. Wir erinnern uns nur an emotional geladene Erlebnisse und in den mit dem Anlass verbundenen Vorwürfen steckt viel Macht. Um diese damit verbundene Macht anzutreiben und die Situation im Nachhinein beherrschen zu können, wird die ganze Erinnerung nach dem erlittenen Unrecht selektiert.

Das heißt, man erinnert einseitig alle Kränkungen, Verletzungen und Uneinigkeiten, die die selbstgewählte Reaktion "Verbitterung" stützen, während man die guten Erlebnisse aussortiert und verdrängt. Dazu kommt jedes Mal die zugehörige Emotion hoch, für die der Auslöser beziehungsweise die auslösende Person oder auch Gott verantwortlich gemacht werden. Der Verbitterte glaubt, dass erst dann alles gut wird, wenn sich der oder das Andere ändert. Diese Auslagerung der Verantwortung bedeutet, dass seine Wahl die Verbitterung statt Vergebung ist.

Infolgedessen wird die gesamte Erinnerung immer mehr verfälscht ("false memory" oder Pseudo-Erinnerungen). Dadurch reaktiviert man im Gehirn immer wieder die emotional geladene, belastende Version, was eine krankhafte Schleife schafft. In solch einer Schleife sind Menschen unzugänglich für Vergebung - so lange, bis sie begreifen, dass sich ihre Reaktion verselbstständigt hat und der Preis für diese Macht, die Vergiftung von Körper, Geist und Seele zu hoch ist.

Vergebung ist die Fähigkeit, aus seiner Verbitterung auszubrechen, in Würde auf das Recht-haben zu verzichten und mit Milde die einseitige Version mit den schönen Anteilen zu vervollständigen. Wenn die Verbitterung nicht zu irrational gewesen ist, verleiht die Vergebung der eigenen Persönlichkeit nicht nur Würde, sondern sondern auch Tiefe, Weisheit und Gewicht.

Verbitterung spielt eine große Rolle im Trauerprozess und in der Trauerbegleitung. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen, wie viel Raum einer Verbitterung gewährt werden soll, bevor sie pathologisch eingestuft werden kann und therapeutische Begleitung angemessen ist.

Es gehört Einfühlungs-, aber auch Abgrenzungsvermögen dazu, die Verbitterung eines Anderen auszuhalten und zu erleben, wie er den Vorschlag der Vergebung als weitere Kränkung "obendrauf" benutzt.

Weitere Möglichkeiten für den Umgang mit Schuld

Neben Vergebung, Entschuldigung und Verzeihen gibt es noch weitere Möglichkeiten mit Schuld umzugehen:

  • Begnadigung oder "Gnade gewähren" bedeuten das Beilegen von Konsequenzen und Strafe.
  • Versöhnung bedeutet, dass nach einem Konflikt die streitenden Parteien wieder Frieden schließen. Auch wenn man sich wieder versöhnt hat, kann Verbitterung weiter bestehen.
  • Vergessen bedeutet, dass man die schuldbeladenen Erinnerungen nicht mehr abruft. Vergessen ist eine Leistung, die Verbitterung verhindern oder auflösen kann. Sprichwörter wie "Vergeben und vergessen" oder "Schnee von gestern" zeigen, das Vergessen Bestandteil von Schulderlass sein kann. Hilfreich ist es, der (negativen) Erfahrung einen neuen Rahmen zu geben, zum Beispiel eine Sinnhaftigkeit von höherer (geistiger) Ebene aus.

Begnadigung, Versöhnung und Vergessen können Teil der Vergebung sein, müssen aber nicht zwangsläufig im Prozess der Vergebung vorkommen.

Aktiv sein

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Alles Wissen ist schön und gut. Doch um dein Leben wirklich zu verbessern, musst du schlussendlich aktiv werden.

Deshalb erhältst du im Abschnitt „Aktiv sein“ wertvolle Tipps, wie du zum Thema „Vergebung“ in die Umsetzung kommst - sei es mit Online-Kursen, Online-Kongressen, Coaches oder Büchern.

Also, such dir das passende Medium raus und dann rein in die Praxis!

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Videos

  • Psychologie der Schuld - vom Wiener Psychiater Raphael M.Bonelli, RPP-Institut, unter anderem über den Umgang mit Schuld und Schuldgefühlen, der Wirkung von Fremd-Beschuldigung und des kausalen Denkens von Psychiatern und Patienten. Vom 31.5.2018. Editieren.svg
  • Verbitterung - die Unfähigkeit zu Vergeben - Unterhaltsamer Vortrag des Psychologen und Psychiaters Prof. Michael Linden, Mitglied des Wiener RPP-Institut von Dr.Raphael Bonelli. Wissenschaftlicher Schwerpunkt in der Berliner Charite: Posttraumatische Verbitterungs-Störung. Vom 31.5.2018. Editieren.svg

 

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